Das grundlagenforschungsorientierte Promotionsprojekt aus dem Bereich der Soziologischen Theorie fragt danach, welche Art von Subjekt in der (Spät-)Moderne grundlegend die anerkannte, die legitime Subjektform darstellt. Es stellt die These einer (spät-)modernen Selbstwertnorm auf, die auf praxiserzeugender Ebene der Subjektstrukturen sich selbst wertschätzende Subjekte, oder, genauer ausgedrückt, praktisch affektiv-wertschätzende Selbst-/Weltbezüge prämiert. Selbst-/Weltbezüge, die von dieser Norm abweichen, also Subjekte, die nicht praktisch-wertschätzend auf sich zugreifen können, erscheinen infolge dessen als illegitim. Diese These wird im Rahmen des Forschungsprojektes sowohl theoretisch als auch empirisch fundiert. Sie gründet zum einen auf einer neuerlichen Rekonstruktion der Sozial- und Gesellschaftstheorie des französischen Soziologen Pierre Bourdieus, die insbesondere seine bislang weitestgehend vernachlässigten subjektivierungs-, affekt- und bewertungstheoretischen Konzeptualisierungen systematisch entfaltet. Zum anderen baut sie auf einer Untersuchung von psychischen Krankheiten auf, da diese einen besonders geeigneten Testfall für die hier aufgestellte These im Sinne einer besonders illegitimen sozialen Praxis darstellen. Im Sinne von Einzelfallstudien werden derart ausgewählte Krankheitsbilder hinsichtlich ihrer Praxis(-genese und -transformation) untersucht. Es wird insofern ein neuartiger analytischer Zugriff auf das Phänomen psychische Krankheiten vorgeschlagen, der die Praxis des Wahnsinns fokussiert. Die Arbeitshypothese ist dabei, dass Verhaltensweisen, die in unserer Gesellschaft als psychisch krank markiert werden, in besonders eklatanter Weise von dem in der Selbstwertnorm implizierten praktisch affektiv-wertschätzenden Selbst-/Weltbezug als praxiserzeugendem modus operandi abweichen. Die Arbeit stellt damit einen Beitrag zur (spät-)modernen Gesellschaftsanalyse dar. Durch die Explikation von Bourdieus impliziter Subjektivierungs-, Affekt- und Bewertungstheorie liefert sie zudem wichtige Impulse für die Subjektivierungsanalyse, die Affekt- und Bewertungssoziologie. Sie erweitert und konkretisiert damit unser Verständnis der Bedingungen von Reproduktion und Wandel sozialer Strukturen, v.a. in Gestalt von subjektivierten Herrschaftsstrukturen. Zusätzlich zeigt sie das gesellschaftsanalytische wie sozialtheoretische Potenzial einer praxistheoretischen Analyse von als abweichend markierter sozialer Praxis auf, insbesondere im Hinblick auf psychisch krank oder gestört markierte Praxis als einer besonders naturalisierten Form sozialer Herrschaft.